Von seinem, nach dem 2. Weltkrieg restaurierten Wohnhaus und seinem Grab auf dem Johannisfriedhof über das erste öffentliche Künstlerdenkmal in Deutschland, das 1828 auf dem Albrecht-Dürer-Platz aufgestellt wurde, bis hin zum Feldhasen aus Vollmilchkuvertüre und dem Künstler als Playmobil-Spielfigur – ob man will oder nicht: Überall in Nürnberg trifft man auf Albrecht Dürer. Und das obwohl sich in der Stadt nur wenig originale Werke befinden, weshalb deren Rückgabe ebenso regelmäßig wie erfolglos immer wieder von Lokalzeitungen und -politkern gefordert wird. Der Kunstverein Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft, das Albrecht-Dürer-Gymnasium, der Opernball Albrecht Dürer, das Dürer-Hotel, die Albrecht-Dürer-Torte: Im vom Stadtmarketing auch als Albrecht-Dürer-Stadt beworbenen Nürnberg kommt niemand an Dürer vorbei.
Was hat nun das Institut für moderne Kunst, ein Informations- und Dokumentationszentrum für zeitgenössische Kunst, mit Albrecht Dürer zu tun? Sicherlich wäre eine Suche nach Informationen zu dem Künstler in der Museumsbibliothek des Germanischen Nationalmuseums, der Stadtbibliothek oder dem Stadtarchiv weitaus ergiebiger und sinnvoller, allerdings spielt Dürer auch in der Bibliothek des Instituts für moderne Kunst eine gewisse Rolle. Das beginnt ganz konventionell mit Einträgen in Künstlerlexika wie z.B. dem Thieme-Becker und setzt sich fort in Überblickswerken, Bestands- und Ausstellungskatalogen, in den Dürer als Superstar der Kunstgeschichte besonders hervorgehoben wird, denn mit Namedropping wie Die Sieben Todsünden. Von Dürer bis Nauman oder Künstlerbrüder – von den Dürers bis zu den Duchamps lässt sich eine Ausstellung stets gut bzw. besser verkaufen.
Noch interessanter aber wird die Spurensuche in den Institutsbeständen, wenn man die Dürer-Rezeption in der zeitgenössischen Kunst verfolgt. Das beginnt bei Dürer-Look-Alikes wie Jonathan Meese und führt über Paraphrasen von Bildmotiven bei Rosemarie Trockel, Veron Urdarianu oder Markus Putze sowie der kreativen Anverwandlung von Dürerikonen wie den Betenden Händen oder dem Hasen u. a. durch Dieter Roth und Klaus Staeck bis hin zu vollständigen Titelübernahmen wie Dem Großen Rasenstück (nach dem eine große Kunstausstellung im öffentlichen Raum zur Fußball-WM 2006 benannt wurde) oder dem Dürer-Hauptquartier, einem mit Nürnberg-Devotionalien gespickten Environment von Ulrich Emmert. Mal etwas platt, mal richtig originell, mal ehrfürchtig, mal provozierend – in der Gegenwartskunst gibt es unzählige Reaktionen auf das künstlerische Vorbild Albrecht Dürer.
Nicht unerwartet fand vor allem in Nürnberg eine ganze Reihe von Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst statt, für die Albrecht Dürer Impulsgeber war: zum Beispiel die Biennale Was die Schönheit sei, das weiß ich nicht (1971) oder die Ausstellung in der Kunsthalle Nürnberg I believe in Dürer (2000) und ganz aktuell Ego – Ich Mir Selbst & Dürer (2012) in der Kreisgalerie. Für kontroverse Diskussionen in der Stadt sorgte das anlässlich des Dürer-Jahrs 1971 veranstaltete Symposium Urbanum. Dieses Bildhauersymposium löste heftige emotionale Reaktionen aus – es wurde gelobt, polemisiert, die ausgestellten Werke wurden beklebt, mit Steinen beworfen, beschossen oder – wie der Fingerzeig in die Zukunft von Haus-Rucker-Co – sogar zweimal komplett zerstört. Ähnlich aggressiv, aber weniger gewalttätig wurde über das bereits genannte Große Rasenstück debattiert. Der Streit entzündete sich zum einen daran, dass keine lokalen Künstler an der Ausstellung beteiligt waren, zum anderen weckte eine Stadionsitze-Turm-Installation von Olaf Metzel auf dem Nürnberger Hauptmarkt, durch die der Schöne Brunnen temporär dem Blick der Öffentlichkeit entzogen wurde, den Volkszorn. Neben den Unmutswellen, welche die Metzel-Installation hervorrief – und die im Jahr 2006 nicht unbedingt zu erwarten gewesen waren (das entsprechende Medienecho ist im Institut für moderne Kunst ausführlich dokumentiert) – sind jedoch auch Werke wie die Installation Pavillons (die »Fußballkäfige« auf der Insel Schütt) von Olaf Nicolai als Ergebnis dieses Projekts dauerhaft in der Stadt geblieben und erfreuen sich bis heute größter Beliebtheit.
Und letztlich geht selbst die Nürnberger Künstlerdatenbank, die anlässlich des Projekts Lebt und arbeitet in Nürnberg heute und vor 500 Jahren begründet wurde auf Albrecht Dürer zurück – ob diese bereits den nächsten Nürnberger Superstar beinhaltet, lässt sich heute jedoch noch nicht mit Sicherheit sagen.
Albrecht Dürer Superstar
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