Vom Schloss zum Palast und eventuell dorthin zurück: Der »Fall« des Palasts der Republik bietet die Möglichkeit sich mit historischen, architektonischen, denkmalpflegerischen und zeitpolitischen Fragestellungen auseinanderzusetzen. Grund genug, einmal mit den im Institut für moderne Kunst gesammelten Informationen diesen »Fall« von künstlerischer Seite aus zu beleuchten.
Es gibt wenige Orte, die für so unterschiedliche Zeitenwenden als Schauplatz dienten: Das Berliner Stadtschloss war 1950 auf Beschluss des Ministerrats der DDR als Symbol des überwundenen Feudalismus trotz zahlreicher Proteste gesprengt worden. Bis zum Bau des Palasts der Republik, dem Sitz der Volkskammer der DDR, diente das Marx-Engels-Platz genannte Areal u. a. als Aufmarschplatz für Militärparaden. Der von 1973 bis 1976 errichtete Palast der Republik, der nicht nur für die Politik, sondern auch als ein öffentliches Kulturhaus mit Restaurants, Bars, Disco und Bowlingbahn konzipiert war, sollte mit seiner aufwendigen Ausstattung ein Aushängeschild der DDR sein. Es gab Konzerte nationaler und internationaler Künstler, Fernsehaufzeichnungen, Modenschauen, Theateraufführungen und Ausstellungen wie z.B. Dürfen Kommunisten träumen?, in der sechzehn profilierte Staatskünstler präsentiert wurden.
Nach der Wende und der Wiedervereinigung blieb der Palast zunächst wegen Asbestverseuchung geschlossen, die weitere Verwendung des Gebäudes war noch unklar. Von 1998 bis 2003 wurde der Asbest entsorgt und der Palast der Republik konnte in der Galgenfrist bis zum beschlossenen Abriss 2006 nochmals für unterschiedliche kulturelle Zwischennutzungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Schließlich wurde der Palast (möglicherweise auch als Symbol des überwundenen Systems?) nach einer lang andauernden Debatte begleitet von Protesten zwischen 2006 und 2008 abgerissen. Bis zur Grundsteinlegung des sog. Humboldt-Forums, die mit Verzögerung erst im Juni 2013 erfolgte, wurde als Zwischenlösung die erneut entstandene Brache begrünt und für zwei Jahre die Temporäre Kunsthalle eingerichtet, um der zeitgenössischen Kunst in Berlin eine Plattform zu geben. Bis wahrscheinlich 2019 wird nun ein in der Größe und Gestalt dem Berliner Stadtschloss nachempfundener Neubau entstehen, der wiederum als Kulturort dienen soll.
Diese kurze wie problematische Geschichte des Palasts der Republik kann man zusammen mit den zahlreichen Presseartikeln zur Auseinandersetzung um den Abriss des Palasts bzw. den Wiederaufbau des Schlosses im Institut für moderne Kunst, dem Informations- und Dokumentationszentrum für zeitgenössische Kunst, nachlesen – empfohlen sei hierzu vor allem auch das in der Bibliothek vorhandene Standardwerk von Michael Holfelder Palast der Republik, Aufstieg und Fall eines symbolischen Gebäudes (2008), das einen ersten Überblick bietet.
Für viele zeitgenössische Künstler, die zu dieser Zeit in Berlin lebten, war vor allem die Endphase des Palasts der Republik ein ergiebiger Motiv- und Impulsgeber. Künstler wie Allora & Calzadilla, Tacita Dean, Nina Fischer & Marouan el Sani, Thomas Florschütz, Doug Hall, Arwed Messmer und Christian von Steffelin dokumentierten und verarbeiteten in ihren Werken mit unterschiedlichen Fragestellungen den »Fall« des Palasts und die herrschende Umbruch- und vor allem Abbruchstimmung in Berlin.
Die französische Künstlerin Sophie Calle fotografierte z.B. zu dieser Zeit in Berlin die Leerstellen, welche durch die Entfernung der erkennbaren Zeichen der untergegangenen DDR – Lenin-Statuen auf Plätzen, Straßennamen auf Schildern oder das Staatswappen mit Hammer und Sichel an der Palastfassade – entstanden waren, und ließ sich von Passanten die Erinnerungen daran schildern, die sie mit den Bildern verknüpfte.
Auch die ideologische Palast-Abriss-Schloss-Wiederaufbau-Debatte war Auslöser für zahlreiche künstlerische Interventionen. Die Deutsch-Iranerin Bettina Pousttchi verkleidete 2009 mit ihrer Arbeit Echo die Temporäre Kunsthalle für ein halbes Jahr mit der gedruckten Fassadenansicht des zu dieser Zeit schon abgerissenen Palasts der Republik. Damit bezog sie sich auf die Schloss-Simulation 1993/1994, in der man damals die Fassade des Palasts eingerüstet hatte und mit bedruckten Folien – um einen realistischen Eindruck von der Wirkung im Stadtraum zu vermitteln – das Schloss wiedererstehen ließ.
Mit den übergroßen Leuchtbuchstaben ZWEIFEL, die 2005 auf dem Dach des Gebäudes installiert wurden, brachte der Norwerger Lars Ramberg die Diskussion um den Abriss des Palasts, der sich als Kulturort und allein durch seine Dimension als eindrucksvolles Wiedervereinigungsdenkmal etabliert zu haben schien, auf den Punkt.
Selbst der Abriss des Palasts der Republik wurde von Künstlern begleitet. Beispielsweise verfolgte der in Alaska geborene Reynold Reynolds mit der Videokamera von mehreren Standpunkten aus die Demontage, was dann – zusammengeschnitten und im Schnelldurchlauf – ein bizarres wie schönes Baggerballett ergab, das Stück für Stück, Tag für Tag, den Palast kleinknabberte. Und er ist nicht der einzige Künstler, in dessen Werk sich gerade die Abbrucharbeiten als Motiv wiederfinden...
Es ist erstaunlich, von wie vielen Künstlern, die zu dieser Zeit in Berlin lebten, der »Fall« des Palasts der Republik in unterschiedlichster Weise reflektiert wurde. Vielleicht gerade weil sich hier mit dem Abriss des Palasts – offensichtlich dem Symbol eines untergegangenen Systems – das Ende einer Epoche und der erhoffte Beginn einer neuen, aufregenden Zeit so monumental sichtbar machen ließ.
Anke Schlecht
Der »Fall« des Palasts der Republik
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