Der polnische Regisseur, Objektkünstler, Maler, Kunst- und Theatertheoretiker Tadeusz Kantor zählt zu den wichtigsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Geprägt von der informellen Kunst und Zero fand der an der Documenta II (1959) und documenta 6 (1977) beteiligte Künstler zu der Auffassung, dass sich Kunst durch die Reibung mit dem Leben entwickle. Grundlage seiner Arbeit waren daher stets der Bezug auf seine Biographie, die er in den verschiedensten Medien immer wieder reflektierte, und die Kommentierung seines Werkes durch poetische Texte und Manifeste.
Bekannt wurde Kantor vor allem mit seinen Bühnenproduktionen, die er nicht nur konzipierte und inszenierte, sondern bei denen er während der Aufführung auch selbst auf der Bühne anwesend war, um als »faszinierender Zeremonienmeister« (Uta Schorlemmer) jederzeit in den Fortgang der Handlung eingreifen zu können – was er auch tat! Mit seinem Theater Cricot² und seinen Inszenierungen, die Happeningcharakter hatten, wurde Kantor weltberühmt.
Die Verbindung Tadeusz Kantors zu Nürnberg und zum Institut für moderne Kunst geht auf Dietrich Mahlow, den Gründer des Instituts zurück, der 1966 – als Direktor der Kunsthalle Baden-Baden – dort die Inszenierung Der Schrank und eine Ausstellung mit Emballagen Kantors gezeigt hatte.
In der Kunsthalle Nürnberg fand 1968 die erste vom Institut für moderne Kunst organisierte Ausstellung Von der Collage zur Assemblage statt, an der auch Kantor beteiligt war. In Zusammenarbeit mit dem Saarländischen Rundfunk drehte Mahlow anschließend den Film Kantor ist da (1968), bei dem man den Künstler z. B. bei dem Happening Lebende Emballage / Emballage Humain in Nürnberg sieht: Er wickelt seine Frau Maria Stangret, die auf einem Podest in der Kongresshalle des Reichsparteitagsgeländes steht, mit Papier ein.
Mit der Ausstellung Tadeusz Kantor: Emballages 1960 – 1976 in der SchmidtBank-Galerie, lernte Tadeusz Kantor 1976 Dr. Karl Gerhard Schmidt kennen, der zum langjährigen Förderer und Freund des Künstlers werden sollte. Diese Begegnung hatte neben weiteren Einzelausstellungen in Nürnberg u. a. zur Folge, dass die meisten Publikationen zu Tadeusz Kantor, diesem einzigartigen Grenzgänger zwischen Theater, Performance und Bildender Kunst, fortan im Verlag für moderne Kunst Nürnberg erschienen.
Mehrmals gastierte Tadeusz Kantor außerdem mit seinem Theater Cricot² in Nürnberg, inszenierte 1977 Die Tote Klasse in der Nürnberger Alten Messehalle sowie im Theater Garage in Erlangen und zeigte 1981 Wielopole, Wielopole im ausverkauften Nürnberger Schauspielhaus. Die Produktion Die Künstler sollen krepieren wurde 1985 in der Alten Gießerei in Nürnberg sogar uraufgeführt.
Der Nürnberger Fotograf Günther Kühnel dokumentierte immer wieder die Aufführungen von Tadeusz Kantor – seine Bilder sind heute eine wertvolle Quelle für die Beschäftigung mit Kantors Theaterkunst.
1989 schließlich folgte ein letztes Gastspiel Tadeusz Kantors in Nürnberg mit dem beinahe prophetischen Titel Ich kehre hierher nie mehr zurück – alle Aufführungen in der Nürnberger Tafelhalle waren wiederum ausverkauft. Ein Jahr später, am 8. Dezember 1990, starb Tadeusz Kantor nach einer Probe seines letzten Stückes Heute ist mein Geburtstag in Krakau.
Im Neuen Museum Nürnberg befinden sich heute einige wichtige Werke Kantors, wie z. B. Der Schüler aus der Sammlung Schmidt, eine Figur aus dem Stück Die Tote Klasse, sowie weitere Arbeiten Kantors aus der Sammlung der Stadt Nürnberg als Dauerleihgabe.